„Lassen Sie uns durch Ihren Lebenslauf gehen“

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Viele Bereiche des Recruitings haben sich gravierend verändert in den vergangenen Jahren. Zeitungsannoncen wurden durch Jobportale ersetzt. Jobportale werden von neuen Portalen aggregiert. Interviews finden nicht nur pandemiebedingt per Videokonferenz statt. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem Kandidaten diese Aufforderung bekommen: „Lassen Sie uns durch Ihren Lebenslauf gehen“.

Die Reaktion: Chronologisch von hinten (also der ersten Station) nach vorn vortragen, was im Lebenslauf steht. Davon ausgehend, dass die Frage vermutlich bedeutet, dass der Interviewer sich das Profil gar nicht richtig angeschaut hat. Aber weit gefehlt. Denn was der Gesprächspartner wirklich will, ist ein lebendiges Bild vom Kandidaten zu bekommen. Lesen kann er oder sie selbst. Es geht um die Informationen zwischen den Zeilen. Also darum, warum man als Kandidat oder Kandidatin besser ist als die Konkurrenz um den Job. Aber auch für das Gegenteil: Wo gab es in der Vergangenheit Probleme und welche waren das?

Für Kandidaten ist das eine Herausforderung – je größer die Berufserfahrung und je umfangreicher der Lebenslauf, desto größer ist sie. Das macht es schwer zu wissen, wo man anfangen soll – aber auch, welche Punkte man besonders hervorheben sollte.

Nichts ist falsch daran, chronologisch vorzugehen. Und zwar von hinten nach vorne, weil der Lebenslauf dann zu einer in sich schlüssigen, fortlaufenden Geschichte wird. Dabei sollte man hinten das Tempo etwas höher ansetzen als weiter vorn – je aktueller eine Berufserfahrung wird, desto relevanter wird sie für den neuen Arbeitgeber. Angefangen mit der Berufsausbildung – Schülerpraktika können getrost weggelassen werden, es sei denn, sie betonen die Story („Das Praktikum war für mich ein Schlüsselerlebnis und hat mich in meinem Berufswunsch bestätigt. Von dem Moment an wusste ich, dass ich nur Projektmanager sein wollte und nichts anderes.“). Zu einer fortlaufenden Geschichte gehört auch zu sagen, wie ein Job zum nächsten geführt hat – idealer Weise als Teil der persönlichen Entwicklung.

Für dieses Vorgehen, aus dem Lebenslauf eine leicht greifbare Geschichte zu machen, ist es zwingend erforderlich, dass der Lebenslauf, der der Bewerbung beiliegt, exakt den Informationen in Online-Netzwerken wie Linkedin entspricht. Denn ein potentieller Arbeitgeber wird sich das anschauen und dann den Daumen genau auf die Punkte legen, die inkonsistent sind.

Und nochmals: Zeit ist wichtig, man soll den Interviewer nicht langweilen und strapazieren. Deswegen sollte man sich wirklich auf die relevanten Punkte konzentrieren, auf Erfolge, auf Dinge, die einen persönlich weiter gebracht haben, aber (wohl dosiert) auch auf Fehler und Probleme, aus denen man gelernt hat.

Aber wie soll man das machen? In der Folge ein paar Tipps, wie man sich gut auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet.

Entscheide, worauf Du Dich konzentrieren willst.

In jedem Lebenslauf schlummern unzählige Fakten, Geschichten, Anekdoten – und dem Kandidaten erscheinen sie alle oft gleich relevant. Es besteht oft das Gefühl, dass durch Weglassen das Gegenüber ein falsches Bild bekommt. Das Gefühl sollte man vergessen. Im Gegenteil kann man den Interviewer „verlieren“, wenn man zu viele Details vorträgt. Die Aufgabe des Kandidaten ist es, den Interviewer auf die wesentlichen Punkte aufmerksam zu machen, ein positives Bild zu erzeugen. Dazu muss man sich darauf einstellen, was der Interviewer wirklich wissen will: Was ist relevant für den Job, den ich zu besetzen habe?

Wenn man sich also als Projektleiter bewirbt, nachdem man Biologie studiert hat um später als Kabel-Assistent beim Fernsehen zu arbeiten und dann ein, zwei erfolgreiche Positionen als Projektmanager in Startups hatte, sollte man natürlich die Erfahrungen als Projektmanager in den Vordergrund stellen, aber auch das Biologie-Studium und die Tätigkeit als Kabel-Assistent kurz erwähnen. Und auch kurz beleuchten, wie es zu dem Richtungswechsel kam. Etwas wegzulassen führt zu einer negativen Grundtendenz im Gespräch und dem subjektiven Gefühl, dass da einer etwas verschweigen will. Auch wenn das vermutlich gar nicht stimmt.

Verliere Dich nicht in Details!

Wenn man im Vorstellungsgespräch durch den Lebenslauf geht, kommt es auf den Gesamteindruck an, nicht auf Daten und Fakten. Es geht um Motivationen zum Jobwechsel, wesentliche Herausforderungen und wie diese gemeistert wurden, Dinge die die persönliche Entwicklung befördert haben – und um Empathie. Wenn man diesen Teil des Gesprächs erfolgreich gemeistert hat, bleibt noch genug Zeit im restlichen Gespräch um auf Fakten einzugehen. Wenn man diese erste Gesprächsphase genutzt hat, um dem Gegenüber ein positives Bild von sich als Mensch zu vermitteln („Nette Kandidatin, der höre ich gern zu und von der will ich mehr erfahren – die passt auch sicher gut ins Team“), ist auch die zweite Gesprächsphase, in denen die Detailfragen kommen, weit einfacher und oft ein Gespräch im Plauderton.

Meckere nicht!

Ein absolutes „No Go“ ist es, nachzutreten. Wenn ein Jobwechsel in der Vergangenheit mal „unrund“ gelaufen ist (durch Kündigung, Streit mit Kollegen oder Vorgesetzten), sollte man es tunlichst vermeiden, das offensiv mitzuteilen. Vielmehr sollte man vor dem Gespräch schon überlegen, wie man solche Phasen und persönlich enttäuschenden Momente in ein positives Licht rückt – dabei darf man durchaus auch eigene Fehler eingestehen: wenn man aus ihnen gelernt hat. Was nicht geht, ist anderen die Schuld zu geben (auch dann nicht, wenn man recht hat). Denn das erzeugt beim Interviewer sofort ein negatives Bild: Da kaufe ich mir Ärger ein, das ist ein Querulant.

Erkläre, was Fragen aufwerfen kann – insbesondere Lücken im Lebenslauf

Wichtig ist zu wissen, wo es Knackpunkte gibt. Gute Personaler ist geschult darin, genau diese Punkte zu erkennen und zu hinterfragen. Wenn man pro-aktiv die Erklärung liefert, warum es gehakt hat oder warum es eine Lücke im Lebenslauf gibt, wirkt das dann doppelt positiv. Auch hier gilt: In der Kürze liegt die Würze.  Aber wenn man zwischen zwei Jobs ein paar Monate Luft in Lebenslauf hat, sollte man diese benennen – egal ob man gereist ist, Familienthemen hatte oder was auch immer. Dabei sollten natürlich positive Aspekte im Vordergrund stehen und die Botschaft: Ich habe mich in dieser Zeit persönlich weiterentwickelt.

Bereite Dich vor!

Viele Kandidaten kommen ins Labern, weil plötzlich die Erinnerungen wiederkehren. Ich kann mich erinnern, ich war dabei! Anekdoten bekommen die Überhand, man verliert den Faden und den Blick für das Wesentliche. Deswegen sollte man vor dem Vorstellungsgespräch alle Punkte gründlich überlegen und auch in Stichworten vorbereiten. Wenn man wenig Erfahrung mit Vorstellungsgesprächen hat, kann es auch helfen, sie vorab zu simulieren.

Es ist wirklich wichtig, diese Vorbereitung sehr ernst zu nehmen und genau zu wissen, was man sagen will – und wie man es sagen will. Ein guter Kandidat passt dies auf die Stelle und an das Unternehmen an, um zu zeigen: Ich passe perfekt.
Und man sollte sich verdeutlichen: Mein Gegenüber ist ein Mensch! Dazu gehört auch, sich mit diesem Menschen vorab vertraut zu machen. So wie Personalabteilungen vor einem Vorstellungsgespräch ihre Führungskräfte über die Kandidaten „briefen“, sollten sich auch Kandidaten vorab anschauen, wer der Gesprächspartner ist. Das geht ja dank Linkedin, Xing und – ja! – Facebook ziemlich gut und kann im Gespräch nur helfen.

Wir hoffen, dass dieser Überblick Ihnen hilft, besser auf die Aufforderung zu reagieren, „gemeinsam den Lebenslauf durchzugehen“. Dieser Teil des Vorstellungsgespräches ist entscheidend dafür, wie das Gespräch weitergeht und welcher Eindruck bleibt. Wenn dieser Teil nicht funktioniert, wird das Gespräch insgesamt nicht gut verlaufen. Und andersherum wird der Rest des Gesprächs ein Durchmarsch, wenn der „Auftakt mit dem Lebenslauf“ für den Gesprächspartner aufschlussreich und angenehm war.

 

 

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