Anonym in den Job?

Im Herbst kommt die anonyme Bewerbung – zumindest in fünf Pilot-Unternehmen, darunter L‘Oréal und Procter & Gamble. Ziel ist es, Kandidaten mit guter Qualifikation für einen Job, aber ungewöhnlichem Background – wie zum Beispiel Alter oder Migration – bessere Chancen auf ein Vorstellungsgespräch zu ermöglichen.Derzeit würden, so die Argumentation der Befürworter eines solchen Verfahrens, viele qualifizierte Fachkräfte nur aufgrund ihrer Daten aussortiert. Im direkten Kontakt könnten sie dageben persönlich überzeugen. Ob diese Vermutung zutrifft, soll eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigen, an der auch das Bundesfamilien- und das nordrhein-westfälische Integrationsministerium beteiligt sind.

Bei Procter & Gamble wird das anonyme Bewerbungsverfahren als Möglichkeit gesehen, auf veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu reagieren. „Unser Standort in Berlin nimmt an dem Pilotprojekt teil, weil wir fest davon überzeugt sind, dass Vielfältigkeit und Integration Schlüssel zum Geschäftserfolg sind“, heißt es von Seiten des Unternehmens. Und weiter: „Wir unterstützen die Studie, um dazu beizutragen, ein einfaches, praktikables und unbürokratisches Verfahren zu finden, das auch der Wirklichkeit an Produktionsstandorten gerecht wird.“
Skeptisch ist dagegen Wolfgang Bremer, Bereichsleiter Personalmanagement bei der Mach AG, Lübeck: „Spannend! Auf einmal Bewerbern gegenüber zu sitzen, von denen man vorher nicht weiß, ob Frau oder Mann, ob jung oder alt, ob deutschsprachig oder nicht. Es wird sicherlich dazu führen, mit Kandidaten ins Gespräch zu kommen, die man ansonsten nicht kennengelernt hätte. Ob es dadurch zu einer vermehrten Einstellung der früher gemiedenen Gruppen kommen wird, erscheint fraglich. Es wird in der Praxis zu einer neuen Auswahlstufe führen, der des vorgeschalteten ,Orientierungsgesprächs‘, in der in erster Linie die fehlenden Fakten aufgenommen werden, bevor es zu einem ,richtigen‘ Vorstellungsgespräch kommt.“
Viel Wind um nichts, also? Tatsache ist, dass letztlich die Unternehmen bestimmen, wen sie einstellen. Dabei hat – bei allen Objektivierungsversuchen – das Bauchgefühl des Entscheiders das endgültige Wort. Ob aufgrund eines Fotos oder eines persönlichen Gesprächs: Menschen entscheiden über Menschen – Subjektivität durch Vorurteile, Erfahrungen und Beziehungen ist nicht auszuschließen. Und ganz im Ernst: Wäre das wünschenswert? Eine Unternehmenskultur basiert auf Menschen, die sich ihr verbunden fühlen. Es ist keine Diskriminierung, wenn Entscheider nach Bewerbern Ausschau halten, die dieses sehr subjektive Kriterium erfüllen. Beginnend mit der Berwerbungsmappe und vor allem einem aussagekräftigen Foto.
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