Gemeinsam in den Abgrund – Warum Konflikte eskalieren

Eigentlich fing es ganz harmlos an. Der Chef hat mich und meinen Kollegen beauftragt, eine neue Software auszuwählen. Die Aktuelle ist veraltet und zu teuer. Da wir beide am meisten damit arbeiten und uns am besten auskennen, sollen wir auch entscheiden. Wir haben beide recherchiert, aber wir kommen auf keinen gemeinsamen Nenner. Nachdem wir anfangs noch sachlich diskutiert haben, knallt es inzwischen jedes Mal heftiger, wenn wir das Thema ansprechen. Ich verstehe es nicht. Mein Kollege beharrt auf Software A, ohne überhaupt die Vorzüge von Software B zu verstehen. Nicht nur das, er tut so, als hätte ich überhaupt keine Ahnung davon. Wie einen Vollidioten versucht er mich darzustellen. Aber nicht mit mir. Da hat er sich mit dem Falschen angelegt!

 

Wir kennen das alle. Eine kleine Meinungsverschiedenheit kann wie eine Lawine ins Rollen geraten. Der Konflikt eskaliert zunehmend und irgendwann stürzt man dann, wie es in Glasl’s Modell der Eskalationsstufen heißt, gemeinsam in den Abgrund. Wenn es nicht mehr um eine Lösung geht, sondern nur noch darum, sich gegenseitig zu zerstören, ist es schon zu spät. Doch wieso kommt es überhaupt so weit? Wieso eskalieren Konflikte? Und was kann getan werden, um dem Teufelskreis rechtzeitig zu entrinnen?

 

Wieso eskalieren Konflikte?

 

Auf diese Frage gibt es nicht nur eine Antwort, sondern gleich mehrere. Verschiedene Mechanismen spielen hierbei eine Rolle:

  1. Beide Parteien sehen ihr eigenes Verhalten jeweils als Reaktion auf das Verhalten des anderen: „Der hat angefangen.“ Je drastischer das Verhalten des anderen, desto einfacher fällt es mir, mein eigenes Verhalten zu rechtfertigen. „Wenn der so über mich herzieht, dann braucht er sich nicht zu wundern, wenn ich mal nicht nur Gutes über ihn erzähle!“
  2. Je weiter der Konflikt bereits eskaliert ist, desto größer ist der (vermutete) Gesichtsverlust beim Nachgeben. Seit Tagen knallen wir uns Argumente an den Kopf. Der Umgangston wird mit jeder Minute aggressiver. Mit aller Kraft versuche ich meinen Kollegen zu entkräften. Wie sieht es aus, wenn ich jetzt noch nachgebe? Ziemlich blöd, ich würde damit eingestehen, dass ich zu Unrecht auf ihn eingeredet habe.
  3. Mein Konfliktpartner wird immer mehr zum böshaften Feind. Ich verliere das Vertrauen in mein Gegenüber und rechne immer mit dem Schlimmsten. Je mehr ich damit rechne, dass mein Kollege ein Entgegenkommen meinerseits ausnutzen würde, desto unwahrscheinlicher wird es, dass ich einen Schritt auf ihn zugehe. „Wer weiß, was er tut, wenn ich mich auf Software A einlasse… Womöglich stellt er sich überall dann überall als Gewinner und mich als Verlierer dar.“

 

Wie kann man aus dem Teufelskreis aussteigen?

 

Ist man erstmal in diesem Teufelskreis gefangen, ist es nicht einfach, aussteigen. Zu groß ist die blinde Wut auf den anderen, die Angst vor dem Gesichtsverlust und die Befürchtung, dass ein Entgegenkommen ausgenutzt wird. Doch unmöglich ist es nicht. Mediatoren konzentrieren sich dann vor allem auf folgende zwei Punkte: Zum einen müssen die Beteiligten verstehen, dass sie Opfer der eskalierenden Eigendynamik des Konfliktes sind, dabei aber gleichzeitig als handlungsfähige Mittäter den Konflikt aufrechterhalten. Beide sind also Opfer und Täter in einem. Dieser Gedanke untergräbt den Glauben, dass jene Partei, die nachgibt, gleichzeitig ihre Schuld eingesteht. Schließlich geht es nicht um Schuld und Unschuld. Zum anderen kann die Antipathie verringert bzw. aufgelöst werden, in dem nachvollziehbare Gründe hinter den verschiedenen Sichtweisen ans Licht kommen: Wenn mir mein Kollege eingesteht, dass er von Software B (meinem Vorschlag) weiß, dass sie komplizierter ist und er Angst hat, überfordert zu sein, dann wird bei mir Verständnis entstehen.

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