Überzeugungskraft: Von verbaler und nonverbaler Kommunikation

Wer schon mal an einem Kommunikationsseminar teilgenommen hat, kennt vermutlich folgende Regel: 55% der Kommunikation ist nonverbal (Gestik, Mimik), 38% ist paraverbal (Stimmlage, Lautstärke) und nur mickrige 7% der Kommunikation ist verbal (Inhalt).

Heißt das nun: Wenn ich jemanden überzeugen möchte, ist es eigentlich egal, was ich sage?

Hauptsache ich habe eine selbstbewusste Körperhaltung und klinge sicher in der Stimme? Bevor ich hierauf eine Antwort gebe, sollte man sich das Experiment mal genauer anschauen, auf dem diese Zahlen basieren. Dafür verweise ich auf folgenden großartig zu lesenden Artikel: http://www.blog.michael-ehlers.de/nonverbale-kommunikation-das-mehrabian-missverstandnis/.

Ganz so einfach ist es also nicht.

Fernab ab von Wissenschaft zeigt doch auch unsere Alltagserfahrung, dass sowohl verbale als auch nonverbale Kommunikation von großer Bedeutung ist. Wenn mir jemand mit zittriger Stimme etwas erzählt und ich das Gefühl habe, er ist selbst überhaupt nicht überzeugt davon, dann werde ich ihm auch bei guten Argumenten nicht glauben. Auf der anderen Seite reicht ein sicheres Auftreten allein auch nicht. Oder hätte ein chinesisch sprechender Verkäufer mit überzeugender Mimik und klarer Stimme die Chance, Sie zu einem Kauf zu motivieren, ohne dass Sie verstehen, was Sie kaufen sollen? Mich hat die Frage nicht losgelassen.

Was ist nun wichtiger: Verbale oder nonverbale Kommunikation?

Die Antwort lautet mal wieder: Es kommt darauf an! Und zwar auf verschiedenste Faktoren. Drei der Wichtigsten stelle ich nun vor.

1. Persönliche Relevanz

Wenn ein Thema für mich sehr wichtig ist, dann werde ich auch genau hinhören und die Argumente kritisch hinterfragen. Wenn ich überlege, mir ein Haus zu kaufen, dann kommt es vor allem darauf an, was der Makler sagt und nicht nur, wie er es sagt. Bei hoher Relevanz des Themas werden also gute Argumente benötigt. Auf Personen, für die das Thema hingegen irrelevant ist, haben nonverbale Faktoren wie die Attraktivität oder das Auftreten des Kommunikators einen höheren Einfluss als die Qualität der Argumente.

2. Persönliche Stimmung

Darüber hinaus hat die aktuelle Laune einen Einfluss darauf, wie man Menschen überzeugt. Vielleicht kennen Sie es ja aus eigener Erfahrung: Ihre Zuhörer sind kritischer, wenn sie schlecht gelaunt sind. So konnte festgestellt werden, dass Argumente bei schlechter Laune kritischer überprüft werden, weshalb ihre Qualität dann besonders ins Gewicht fällt. Sind ihre Zuhörer gut gelaunt, geht es vor allem darum, dass Sie Kompetenz ausstrahlen. Auch hier werden dann „periphere Hinweisreize“ wie Attraktivität, das Auftreten aber auch der vermutete Status und die angenommene Expertise stärker herangezogen.

3. Die intellektuellen Fähigkeiten Ihrer Zuhörer

spielen auch zu guter Letzt eine Rolle. Wenn jemand nicht in der Lage ist, die Argumente gedanklich zu durchdringen, dann wird er zwangsläufig nonverbale Signale heranziehen. Genau dieser Effekt wird häufig bezweckt, wenn Redner mit Fachwörtern wild um sich schmeißen, obwohl (oder gerade weil!) sie sich bewusst sind, dass sie ihr Publikum damit überfordern.

Was können wir festhalten?

Die meisten Trainer, die die eingangs erwähnten, beeindruckenden Zahlen verwenden, wollen verdeutlichen, wie wichtig nonverbale Kommunikation ist. Das ist sicher eine wichtige und richtige Erkenntnis. Aber es heißt eben alles andere, als dass es nicht (bzw. kaum) darauf ankommt, was man sagt. Vielmehr kommt es auf verschiedenste Faktoren an, ob verbale oder nonverbale Kommunikation mehr ins Gewicht fällt.

Wenn Sie auf Nummer sichergehen wollen, sollten Sie also beides beherzigen.

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