Der große Irrtum vom Überzeugen

„Wer Fünfjährigen schon ein Handy in die Hand drückt, sorgt doch dafür, dass sie nie richtig spielen lernen!“ Technologie ist einfach die Zukunft und man sollte Kinder so früh wie möglich daran gewöhnen – Wer das nicht sieht, versteckt sich vor der Realität!“

 

Wenn es darum geht jemanden zu überzeugen, handeln wir häufig nach folgender Prämisse: Je mehr es mir gelingt, den Standpunkt meines Gegenübers in ein schlechtes Licht zu rücken, je absurder ich ihn durch meine Argumente dastehen lasse – desto eher ist er bereit, seinen eigenen Standpunkt zu verlassen und sich meinem anzuschließen. Klingt überspitzt? Mag sein. Aber denken Sie mal darüber nach, wie oft und mit welchem Nachdruck in politischen, beruflichen oder privaten Auseinandersetzungen von Anfang an versucht wird, die Argumente des Gegenübers zu entkräften. Warum es eher dazu führt, die Position des anderen zu festigen, anstatt ihn zu überzeugen, möchte ich hier verdeutlichen:

 

Mit der Entwertung eines Arguments klingt zwischen den Zeilen schnell auch ein „Du hast verkehrte Ansichten“ durch. Aber wer möchte sich das schon sagen lassen? Dies wird schnell als Angriff empfunden und wer sich angegriffen fühlt, schließt die Tore und fährt seinerseits die Kanonen aus. Das haben wir alle schon in Konflikten erlebt. Es geht dann ganz schnell nicht mehr darum, ob Kinder schon Smartphones besitzen sollten oder nicht, sondern wer die falschen und wer die richtigen Ansichten hat. Es geht darum, als Sieger oder Besiegter das Schlachtfeld zu verlassen. Die Auseinandersetzung hat sich von der Sach- auf die Beziehungsebene verlagert. Wer dann nachgibt, gesteht damit im Unrecht gewesen zu sein und bekennt sich als Verlierer. Deswegen ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich an diesem Punkt noch jemand überzeugen lässt. Anstatt sich alle Argumente anzuhören und sie sachlich abzuwägen, wird händeringend nach Argumenten für die eigene Position gesucht und die andere Position mit aller Kraft entwertet. Indes: Derart wird man sein Gegenüber nicht überzeugen; man sorgt viel mehr auch noch dafür, dass er seinen Standpunkt erst recht nicht aufgibt.

 

Wenn ich berechtigte Einwände gegen die Argumente meines Gegenübers habe, sollte ich sie dann für mich behalten? Kann ich dann überhaupt jemanden überzeugen? Nein und ja! Sie sollen ihre Argumente nicht für sich behalten und sie können jemanden überzeugen – allerdings anders. Die Erfolgsaussichten steigen immens, wenn Sie die folgenden zwei Regeln beachten. Erstens: Ihr Gegenüber wird erst versuchen Sie zu verstehen, wenn er sich von Ihnen verstanden fühlt. Hören Sie also zu und geben Sie wieder, was sie verstanden haben. Selbst wenn sie nicht derselben Meinung sind, zeigen Sie auf diese Weise, dass Sie bereit sind, ihm zuzuhören und Interesse an seinen Argumenten haben. Zweitens: Das Ganze funktioniert nur mit der richtigen Haltung. Gehen Sie davon aus, dass ihr Gegenüber gute Gründe hinter seiner Überzeugung hat. Wenn Sie nach Zeichensetzungsfehlern im Liebesbrief suchen, wird ihr Gegenüber ebenfalls versuchen, ihre Argumente akribisch auseinanderzunehmen. Wenn Sie hingegen offen dafür bleiben, bei entsprechend guten Argumenten auch Ihren eigenen Standpunkt zu überdenken, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr Gegenüber ebenfalls dazu bereit ist. Jetzt können Sie nach und nach ihre Argumente einbringen.

 

Sofern Sie diese beiden Regeln befolgen und dazu noch beachten, dass Sie den anderen nicht wie einen Vollidiot dastehen lassen, dann sind Sie in der Kunst des Überzeugens schon einen erheblichen Schritt weiter!

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