Neulich auf dem Kongress

Kongresse, Tagungen, Konferenzen haben etwas ungeheuer Beruhigendes, denn die Dinge geschehen einfach immer nach dem gleichen verlässlichen Grundmuster. Vom Empfangscounter, über das Mittagsbuffet, bis hin zur abschließenden Podiumsdiskussion.

Es ist 9.30 Uhr,  ich melde mich brav bei der BWL-Studentin im blauen Hostessen-Kostüm am Empfangs-Counter und breche schon bevor es losgeht unter der Last eines zentnerschweren Jutebeutels mit Unterlagen zusammen, die die exorbitante Werthaltigkeit des bevorstehenden Happenings dokumentieren will. Routinierte Seminartouristen wie ich wissen allerdings, dass die Präsentation des interessantesten Vortrags in der Regel ohnnehin fehlt und passen ihre Erwartungshaltung schon früh an.

Bunte Parade der Referenten.

Derart ausgestattet erwartet mich nun die immer wiederkehrende Parade der Referenten: Da gibt es den liebenswert langweilige deutschen Universitätsprofessor mit seiner längst totgesagten Overhead-Foliensammlung. Gerne in angegilbtem schwarzweiß und noch viel lieber im Hochformat.

Oder wie wäre es mit der Spezies der Softwarentwickler? Sie wollen einfach immer alles sagen und zeigen, was sie so draufhaben. Und dabei schießen sie in der vorgegebenen halben Stunde dann auch mehr als 75 Folien in Schriftgröße 12 ins wegdösende Publikum.

Und nicht vergessen werden sollte auch der Typus „amerikanischer Management-Guru“, der mit einer Hand in der Hosentasche lässig daher plaudernd das Podium auf und ab schreitet und anekdotenreich quatscht. Der hohe Unterhaltungswert steht dabei dummerweise oft im krassen Gegensatz zu den vermittelten Inhalten.

Egal, erst mal ab zur Kaffeepause!

Danach erreicht mein eben noch mit dem Schlaf ringender Sitznachbar wieder sein gewohntes Aktivitätsniveau. Zuerst der Griff zum Mobiltelefon. Verbunden mit dem ebenso sinnlosen, wie laut vorgetragenen Anruf bei der eigenen Sekretärin: „Alles gut? Schön…Gibt’s was? Nein? (verlegene Pause) Ok, dann bis später…“

Ich bin tief beeindruckt. Nachdem auf diesem Wege etwas für die Außenwirkung getan ist, kommt die Visitenkarte dran. Und spätestens jetzt erkennt man den geübten Konferenzbesucher an seinem Blick. Stets auf das Namensschild, der ihm am nächsten stehenden Person fixiert, durchschreitet er den Raum. In Sekundenschnelle entscheidet er, ob es sich bei seinem Gegenüber um einen potentiellen Knoten im eigenen Beziehungsnetz handeln könnte oder nicht. Wohl zu keiner anderen Gelegenheit bekommt man auf eine derart direkte Weise signalisiert, ob man als Person gerade interessant ist oder nicht.

Schöne Situationen ergeben sich auch, wenn ein Konferenzteilnehmer einen anderen per Konferenzteilnehmer-Blick als interessant genug für ein Gespräch eingestuft hat, dieser seinerseits aber zu einer anderen Einschätzung gelangt ist. Ein Berater, der sich auf die Auflösung solcher Situationen spezialisieren würde, könnte bestimmt einen Haufen Geld verdienen.

Nachtische und Referenten,

Kommen wir zu den Referenten. Ein Referent, der nicht den ersten Redner nach dem Mittagessen mit dem Hinweis ankündigt, als erster Redner nach dem Mittagessen habe dieser nun die schwierige Aufgabe, die wegen der einsetzenden Verdauungsprozesse aufkommende Müdigkeit zu bekämpfen (und werde dies, da bestehe kein Zweifel, auch schaffen), ist sein Honorar nicht wert.

Nebenbei bemerkt: Der Referent schafft es in der Regel nicht. Dies mag auch an dem klebrig-süßen gelblichen Mousse-Schaum liegen, der bei keinem Tagungsmittagsbuffet fehlen darf…

Der krönende Abschluss: die Podiumsdiskussion.

Die Veranstaltung endet dann in der Regel mit einer abschließenden Podiumsdiskussion. Der Konferenzkenner weiß, daß es sich dabei um den traurigsten Teil der Tagung handelt. Denn erstens haben sich die Referenten, die das Podium bilden sollen, meist längst verabschiedet – ihre hochbezahlten Dienste werden wohl andernorts benötigt -, und zweitens gilt dasselbe auch meist für das Publikum.

Während nämlich der erfahrene Konferenzteilnehmer keinen Pfifferling auf die im Programm genannte Schlusszeit gegeben und einen deutlich späteren Flug für die Rückreise gebucht hat, haben die Anfänger doch tatsächlich geglaubt, die Referenten würden die vorgegebene Vortragszeit einhalten, und mussten daher vor dem tatsächlichen Ende der Veranstaltung ihre nicht umbuchbaren Billigflüge antreten.

Es diskutiert also nur noch der Moderator mit sich selbst, und keiner hört ihm zu – eigentlich ein würdiger Abschluß, nach dem gleichen verlässlichen Grundmuster. Ach eigentlich schade…ab zur nächsten Konferenz.

Alles wird gut, Eure Mia!

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