Funktioniert unser Gedächtnis wie eine Festplatte?

Bevor wir darauf eine Antwort geben, stellt sich folgende Frage: Was würde das denn bedeuten? Angenommen unser Gedächtnis wäre eine Festplatte. Müssten wir dann aufpassen, dass wir nicht zu viel lernen, weil unser Gedächtnis irgendwann „voll“ ist?  Können Informationen in unserem Gedächtnis jahrelang gespeichert werden oder löschen sie sich irgendwann ganz automatisch? Schließlich kann ich mich kaum noch daran erinnern, was ich vor fünf Jahren im Erdkundeunterricht gelernt habe…

Was haben Gehirn und Festplatte gemeinsam?

Es geht um drei grundsätzliche Funktionen: Beschreiben, Aufbewahren und Abrufen. Erstmal müssen Information irgendwie auf die Festplatte oder in unser Gedächtnis übertragen werden. Diese Informationen müssen dann auf der Festplatte oder in unserem Gedächtnis aufbewahrt werden können. Die Aufbewahrung dieser Informationen alleine bringt uns aber noch nichts. Erst die Möglichkeit, gespeicherte Informationen auch wieder abzurufen, erlaubt es uns, von diesen Informationen zu einem späteren Zeitpunkt zu profitieren.

Informationen werden nicht 1 zu 1 ins Gedächtnis übertragen.

Allerdings gibt es bezüglich jeder dieser drei Funktionen wesentliche Unterschiede zwischen einem Gedächtnis und einer Festplatte. Fangen wir mal beim Beschreiben an: Auf einer Festplatte landen exakt jene Informationen, die übertragen werden. Bei unserem Gedächtnis ist das anders. Informationen werden verzerrt und Lücken werden gefüllt, so dass die gespeicherten Informationen für uns schlüssig werden. Bittet man zehn Zeugen eines Autounfalls, den Zusammenstoß zu beschreiben, hört man zehn verschiedene Varianten. Diese sind zwar alle ähnlich, jedoch nicht gleich. Der Erste erinnert sich an einen Fahrradfahrer, weswegen das Auto ruckartig bremsen musste. Der Zweite meint, ein Tier sei über die Straße gelaufen. Und der Dritte berichtet von spielenden Kindern am Straßenrand.  Niemand kann sich das Geschehen im Detail merken. Fehlende Details werden dann häufig einfach ausgefüllt.

Bedeutende Unterschiede bei der Aufbewahrung.

Wie sieht es aus mit dem Aufbewahren von Informationen? Auf einer Festplatte sind Informationen entweder vorhanden oder nicht. Unser Gedächtnis speichert Informationen umso besser, je öfter wir auf diese zugreifen. Vorstellen kann man sich das wie einen Waldweg. Wird ein Weg immer wieder gegangen, kann man ihn deutlich sehen und es ist einfach an sein Ziel zu kommen. Wird ein Weg kaum genutzt, wächst er im Laufe der Zeit wieder zu. Hier gilt „use it or lose it“. Auch die Speicherkapazität einer Festplatte ist auf eine bestimmte Anzahl an Bytes begrenzt. Es wird angenommen, dass die Speicherkapazität unseres Gedächtnisses ebenfalls begrenzt ist. Aber die meisten Menschen sind  noch extrem weit davon entfernt, diese Grenzen zu erreichen. Die Ausrede, nicht mehr lernen zu wollen, damit andere Informationen nicht gelöscht werden, gilt also nicht.

Vergessen ist nicht gleich gelöscht.

Abschließend gibt es auch noch einen maßgeblichen Unterschied, der beim Abrufen von Informationen deutlich wird. Selbst wenn wir Informationen, die wir einmal gelernt haben, nicht mehr aus unserem Gedächtnis abrufen können, heißt das nicht, dass sie ganz weg sind. Jeder kennt es: Dinge, die wir schon einmal gelernt haben, können wir viel schneller wieder lernen, als wenn wir uns noch nie mit dem Thema beschäftigt haben. Nur weil wir Informationen nicht abrufen können, bedeutet das nicht, dass sie nicht doch noch irgendwo vorhanden sind.

Fazit…

Einmal zusammengefasst: Unser Gedächtnis hat die gleichen Aufgaben wie eine Festplatte, funktioniert aber anders. Informationen gelangen nicht 1 zu 1 ins Gedächtnis. Nur weil wir etwas nicht augenblicklich erinnern, heißt es nicht, dass es weg ist und wir brauchen keine Angst davor haben, zu viel zu lernen. Es kann sich also lohnen, auch unnütz scheinendes Wissen aufzunehmen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich irgendwann eine sinnvolle Verknüpfung ergibt – und sei es beim Smalltalk auf einer dieser Partys, wo die Leute nur von uninteressanten Dingen reden, von denen man selbst (eigentlich) nichts wissen will.

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