Elektronische Masturbation – meine Generation Y und unser Albtraum der Arbeitswelt

Wer wie ich zwischen 1980 und 1995 geboren wurde, gehört zur Generation Y und hat mit ziemlicher Sicherheit, wie der Modeschöpfer Karl Lagerfeld es in einem Interview formuliert hat, schon einmal „elektronisch masturbiert“. Was er mit dieser geschwurbelten Bezeichnung meint, ist nicht mehr und nicht weniger als das Selfie, dieses mittlerweile allgegenwärtige, gewöhnlich mit der Handykamera aufgenommene Selbstportrait.

Das Selfie als Symbol für die Selbstliebe und somit Merkmal unserer Generation, die ja bekanntermaßen seit einigen Jahren den Arbeitsalltag von Personalchefs zum Albtraum macht, trifft es doch ganz gut: Mamas Lieblinge (wir!) wollen jetzt nämlich nicht nur mitreden, sondern auch noch sinnvolle Arbeit verrichten, viel Geld verdienen und das alles bitte mit wenig Aufwand. Versteht sich. Denn bevor wir den ersten Fuß auf den Arbeitsmarkt setzen, haben wir schon über ein Sabbatical nachgedacht und weit bevor es wirklich anstrengend wird, werden wir nachdrücklich Work-Life Balance einfordern. Schließlich steht Freizeit für uns eindeutig im Vordergrund. Und wenn nicht nach unserer Nase getanzt werden sollte, dann intervenieren wir über das Netzwerk unserer gutsituierten (Helikopter-) Eltern oder wechseln einfach zum Konkurrenten. Loyalität gilt schließlich nur da, wo sie uns passt!

Wer unsere Werte nicht teilt, sondern wer als Unternehmer, Personaler oder Vorgesetzter unter uns leidet, für den habe ich eine passende Lösung: Halten Sie uns einfach von sich fern. Hierfür müssen Sie nichts weiter tun, als die folgenden drei Regeln zu beachten:

Erstens, tanzen Sie bei der Personalbeschaffung bloß nicht aus der Reihe! Um mit der Informationsflut, mit der wir aufgewachsen sind, zurechtzukommen, haben wir früh gelernt uns nur auf besonders auffällige Informationen zu konzentrieren. Formulieren Sie beispielsweise Stellenanzeigen möglichst zurückhaltend und nutzen Sie ausschließlich Printmedien zur Veröffentlichung. Vermeiden Sie unbedingt gezielte Ansprache!

Und wenn einer von uns sich dessen ungeachtet bei Ihnen bewirbt, dann prüfen Sie dessen Ernsthaftigkeit am besten durch ausbleibende Reaktion oder möglichst langatmige Entscheidungsprozesse mit vielen Gesprächsrunden, am besten zu originellen Zeiten und auf die Republik verteilt.

Zweitens, verzichten Sie unbedingt auf neue Medien. Ob am PC oder mit dem Handy, wir sind sowieso den ganzen Tag im Internet. Wenn Sie also sicherstellen wollen, dass wir gar nicht erst auf Ihr Unternehmen aufmerksam werden, dürfen Sie keinesfalls bei Facebook, Xing und Co. zu finden sein. Und was Ihren Internetauftritt angeht, halten sie ihn schlicht, bleiben Sie beim Bewährten und vermeiden Sie Investitionen. Ihr Neffe oder Nachbarssohn kann bestimmt auch Homepages machen, und das unschlagbar billig. Garantiert.

Drittens, für den Fall dass sich einer von uns sich doch in Ihr Unternehmen verirrt haben sollte und Sie den Eindringling schnellstens wieder loswerden möchten, beachten Sie einfach die Maxime: Nicht gemeckert ist genug gelobt! Wir Ypsilons sind durch die konfliktscheue Haltung unserer Eltern und Lehrer ohnehin viel zu viel Lob gewohnt. Auch wenn wir etwas bei Facebook posten, erfahren wir durch „Likes“ schließlich schnell, wie das Gesagte bei anderen ankommt. Ohne Lob fühlen wir uns deshalb ganz schnell unwohl – und es wird nicht lange dauern, bis wir Ihr Unternehmen mit akutem Lobdefizit wieder verlassen.

Abschließend habe ich noch etwas Beruhigendes für Sie: Wenn Sie uns erstmal gezeigt haben, was Sie von uns halten, erledigen wir den Rest unaufgefordert für Sie. Dank Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu und den sozialen Netzwerken werden wir unsere negativen Erfahrungen mit Ihrem Unternehmen nämlich eigenständig und nachhaltig für Sie verbreiten. Sie brauchen sich dann keine Sorgen mehr zu machen, dass sich überhaupt noch jemand von uns bei Ihnen bewirbt. Wenn das keine gute Nachricht ist!

(Michel, * 1991)

Themen: Menschen, Personalwirtschaft, Unternehmen